Diplomarbeiten des Lehrgangs
akademisch angewandte Fotografie


"Die Erde ist eine Scheibe"

Begleittext zur Diplomarbeit

 

Die Vorstellung einer flachen Erde (auch: Erdscheibe) findet sich in vielen frühen Kulturen. Sie wurde bereits von Autoren der Antike kritisiert und durch die Vorstellung der Erde als einer Kugel („Erdkugel“) ersetzt.

Letzteres blieb auch im europäischen Mittelalter die vorherrschende Lehrmeinung.

Die irrige moderne Annahme, dass insbesondere die mittelalterliche Christenheit an eine Erdscheibe geglaubt habe, wird von der Historical Society of Britain als weitest verbreiteter historischer Irrtum aufgelistet.

Neuere Untersuchungen insbesondere seit den 1990er Jahren zeigten, dass „außer sehr wenigen Ausnahmen seit dem 3. Jahrhundert v. Chr. keine gebildete Person in der Geschichte des Westens glaubte, die Erde sei flach“, und dass die Kugelgestalt der Erde stets die dominante Lehrmeinung blieb. Die moderne Fehlannahme, dass der mittelalterliche Mensch an eine scheibenförmige Erde glaubte, fand erst im 19. Jahrhundert Verbreitung, vor allem aufgrund von Washington Irvings Erzählung Das Leben und die Reisen des  Christoph Columbus (1828). Diese Aussagen von J.B. Russell und der christlichen American Scientific Affiliation bestreiten, dass die

mittelalterliche Kirche die Vorstellung einer flachen Erde verbreitet hat. Insbesondere ab dem 19. Jahrhundert widmeten sich  Wissenschaftler aus der Geodäsie und Kartografie einer Verfeinerung des Kugelmodells und entwickelten das Geoid als  physikalisches Modell der kugelähnlichen Erdfigur. (Quelle Wiki)

 

Dennoch pflegt meine Studienkollegin Lydia den manchmal wenig intelligenten Meldungen so mancher MitbürgerInnen mit der durchaus scherzhaft gemeinten Aussage zu begegnen: „Ja, ja und die Erde ist eine Scheibe!“

Dieser Ausspruch hat in mir jenen Funken gezündet, der die Idee, Objekte die auf unserer Erde vorkommen als „Scheibe“ zu fotografieren, reifen lies.

Um eben jene vereinfachte, ja simplifizierte Darstellung dessen, was uns allgemein hin bekannt scheint, zu probieren. Der Reifeprozess von der Ideenzündung zur konkreten Vorstellung der Umsetzung war innerhalb weniger Augenblicke passiert. Vor meinem geistigen Auge sah ich bereits die Konstruktion, mit der ich meine Scheibenbilder zu machen gedachte.

Die Vorstellung, welche Objekte allerdings ins Zentrum meiner Abbildungen rücken sollten war anfangs noch nicht so klar. Dachte ich zu aller erst an so profane Motive wie allgemein bekannte Sehenswürdigkeiten, die derart abgebildet, wohl von der Allgemeinheit nur schwer als das zu identifizieren gewesen wären, als was sie sind, kam schon bald der Gedanke auf, es müsse sich um Objekte bzw. Motive handeln, die einer gewissen Ordnung, einer Zugehörigkeit zu etwas unterliegen, ja etwas gemeinsam haben sollten.

Das führte mich, denkend an die Erde als Scheibe, zur Überlegung: Worum dreht sich alles? Alles dreht sich auf unserer Erde, egal jetzt ob Scheibe oder Kugel, im speziellen in unserer westlichen Lebenssphäre um Macht, um Sex, Drugs &Rock´n Roll. Und so lag es quasi auf der Hand nach jenen Symbolen zu suchen, die genau das widerspiegeln: Macht, Sex, Drugs andRock´n Roll.

Zwölf Symbole wurden gesucht, gefunden und zur Darstellung dessen, worum sich alles dreht ausgewählt und auf meine spezielle Weise abgebildet.

Macht wird unter anderem verkörpert von einer jener Währungen, die nach wie vor unsere Erde beherrschen: dem Dollar. Doch der schnöde Mammon allein reicht nicht aus um Macht auch als das zu erleben, was sie ist. Dazu braucht es Menschen, die diese Macht auch auszuüben bereit sind und hier ist die Männerfaust Symbol für den geballten Willen Macht auch einzusetzen. Zu unheimlicher Macht verhilft auch der Besitz und die Bestimmung über die Verwendung von jenem Stoff, der uns alle bewegt – dem Erdöl als Treibstoff in Form von Benzin und Diesel. Das letztkonsequente Mittel für die kompromisslose Ausübung von Macht ist die Waffe. Stellvertretend für alle, von in dieser Hinsicht schier unerschöpflichem Einfallsreichtum der Menschheit hervorgebrachten Schreckensinstrumenten wurde der schlichte Revolver gewählt. Macht wird aber auch durch das Setzen von Standards, Trends, Hypes oder ähnlichem hervorgerufen. Hat sich einmal ein Etwas, sei es Produkt, Dienstleistung oder imaginäres Etwas als „must have“ auf unsere Märkten und damit in unserer Gedankenwelt eingenistet, bedeutet es für den Produzenten, Händler oder Inverkehrbringer Macht. Er bestimmt über die Verfügbarkeit, den Preis und damit darüber, ob wir unsere meist vordergründig begründeten Bedürfnisse befriedigen können oder nicht. Gerade in der Kreativwirtschaft ist Apple Standard und Statussymbol in einem und vertritt somit jene „must haves“, die für nur allzu viele unserer Mitmenschen im Zentrum ihres Strebens stehen. Sex, Drugs andRock´n Roll - man könnte auch auf den althergebrachten Spruch „Wein, Weib und Gesang“ zurückgreifen – ist wohl Synonym für das, worum sich neben Macht alles dreht. Mercedes, die Automarke ist hier gemeint, bildet wohl die Brücke. Vom

Statussymbol für Macht hin zum verführerischen Accessoire  jener, die darauf aus sind, sich ein großes Stück von jenem Kuchen abzuschneiden, der mit den Zutaten Sex, Drugs andRock´n Roll gebacken wird. Allgegenwärtig zumindest in unserer westlichen Kultur ist Sex, sei es in der Werbung, in den Medien, in den Schlagzeilen die über Vorkommnisse berichten, die uns ahnen lassen oder eben bestätigen, welchen manchmal krankhaft überzogenen Stellenwert dieses Thema in unserer Gesellschaft zuweilen einnimmt. Weibliche Beine (legs) in High Heels und ein Bild in dem es zu erraten (guess) gilt, was abgebildet ist, sollen uns Sinnbild sein.

Besinnen wir uns auf das ursprüngliche, das in uns vorhandene gesunde Bedürfnis und Verlangen so ist letztendlich Sex Quell  unbändiger Lebensenergie, ja des Lebens selbst. Coca Cola, als weltumspannende Marke bekannt, beliebt und ebenso verteufelt, soll Stellvertreter sein für jene Stoffe die, als glücklich machend beworben, für viele unserer Mitmenschen, bedauerlicherweise oft von Kindesbeinen an, ein Muss täglichen Konsums geworden ist. Als anerkannt süchtig machende Substanzen gelten Alkohol und  Tabak. Es gibt kaum Kulturen auf dieser Erde, die ohne derartiges, in rauschähnliche Zustände versetzendes, auskommen. Am eigenen Leib erfahren, habe ich die Erkenntnis gewonnen, dass der, zugegebenermaßen übermäßige, Konsum dieser beiden Stoffe mich die Erde rund um mich als drehend wahrnehmen ließ. Whisky und Zigaretten - Ballantines und Marlboro sind wohl bekannte Vertreter dieser für manche von uns so unentbehrlichen Zutaten des Lebens.

Für eine sexuelle Aktivität -den Beischlaf selbst – existiert im englischen ein Slangausdruck: „rockingandrolling“. Womit wir  schlussendlich beim Rock´n Roll angekommen wären. Eine Musikrichtung die im letzten Jahrhundert und auch im Jetzt Generationen prägt und einnimmt. Entstanden wohl in den 1940er, 1950er Jahren in den USA, umspannt heute diese Musikrichtung den gesamten Erdball. Meine eigeneE-Gitarre, Relikt aus meiner Teenagerzeit, ist für mich das stärkste Symbol für diese Musik.

 

Die technische Umsetzung meiner Scheibenbilder erfolgte durch eine selbst angefertigte Konstruktion, die wie eingangs schon  erwähnt, sehr rasch, eigentlich augenblicklich mit der Idee, in meinem Kopf entstanden ist. Die tatsächliche Anfertigung erfolgte nach einigen konstruktiv korrigierenden Überlegungen in wenigen Stunden. So viel sei hier verraten: die Kamera ist, zentriert an der optischen Achse, im Zentrum einer Scheibe befestigt. Die Scheibe ist derart gelagert, dass sie am gleichen Ort bleibend, von Hand aus

in Rotation versetzt werden kann. Längere Verschlusszeiten waren erforderlich, um diese Bilder entstehen zu lassen.

 

Wien, Juni 2011

 

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"Konflikt und Harmonie"

Begleittext zur Diplomarbeit

 

Konflikt und Harmonie. Am Beispiel von Mutter und Tochter

 

Konflikte sind allgegenwärtig. Doch was ist ein Konflikt? Gibt es einen begrifflichen Kern, den all die verschiedenen Formen  gesellschaftlicher und politischer Auseinandersetzungen gemeinsam haben?

Weil Konflikte vielschichtig sind, kann die Definition dessen, was unter einem Konflikt verstanden wird, sehr unterschiedlich  ausfallen. Dennoch: Die meisten Definitionen benennen eine Reihe von Elementen, die mehr oder weniger allen Konflikten eigen sind. Dabei spielt es keine Rolle, ob sie sich auf der intrapersonalen, der gesellschaftlichen oder auf der (zwischen-)staatlichen Ebene abspielen.

In jedem Konflikt lassen sich idealtypisch drei Komponenten ausmachen:

ein Widerspruch, d.h. eine Unvereinbarkeit von Zielen, Interessen bzw.

Bedürfnissen, ein den Konflikt anzeigendes und allzu oft verschärfendes Verhalten (z.B. Konkurrenz, Aggressivität, Hass, Gewalt) der Konfliktparteien sowie eine auf den Konflikt bezogene und diesen – bewusst oder unbewusst – rechtfertigende Einstellung/Haltung. Diese ist eng verbunden mit den Wahrnehmungen und Annahmen der Konfliktparteien in Bezug auf ihre eigene Stellung im Konflikt, die Bewertung der anderen Parteien (z.B. Feindbilder) und ihre Vermutungen zu den Konfliktursachen.

"Konflikte sind eine unvermeidbare und für den sozialen Wandel notwendige Begleiterscheinung des Zusammenlebens in allen Gesellschaften. Sie sind ein Ausdruck von Spannungen und Unvereinbarkeiten zwischen verschiedenen, voneinander  abhängigen Parteien im Hinblick auf ihre jeweiligen Bedürfnisse, Interessen und Wertvorstellungen. Zu gesamtgesellschaftlichen Krisen und destruktiven Eskalationen führen solche Auseinandersetzungen vor allem in Phasen tiefgreifender sozioökonomischer Veränderungen und politischer Transformation. Also dann, wenn es um die Neuverteilung von Lebenschancen und  Partizipationsmöglichkeiten zwischen verschiedenen Gruppen geht." (Konfliktforscher Norbert Ropers).

Leider haben nur wenige Töchter ein ungetrübtes inniges Verhältnis zu ihren Müttern. Denn der Großteil der Töchter möchte auf keinen Fall so werden wie die eigene Mutter. Diese Furcht der Mutter ähnlich zu werden, nennt man Matrophobie. Denn ab einen gewissen Punkt - aller spätestens in der Pubertät müssen Töchter gegen die Mütter rebellieren.

Somit finden die Töchter ihre eigene Identität und können so zu ihrem eigenen „Ich" finden.

 

Dieses finden des eigenen „Ichs“ durfte ich unmittelbar miterleben. Zweimal sogar und dies mit unterschiedlichen Töchtern aber auch unterschiedlichen Müttern! Einmal während meiner ersten Ehe mit Tochter Petra und nach der Scheidung fortgesetzt – dies bisweilen als schmerzlich empfunden – aus phasenweise mehr oder weniger Distanz, seit geraumer Zeit glücklicherweise in einem entspannten, distanzlosen Verhältnis. 

Ein zweites Mal vor und nun während meiner zweiten Ehe mit Stieftochter Manuela und dies ab dem pubertierenden Alter, also auch ab jener Phase des Lebens, wo die Rebellion gegen die Mutter einsetzt. Das beide „Töchter“ sich zu meiner Freude als Schwestern sehen, sei nur nebenbei erwähnt und ist für die gegenständliche Arbeit ohne Bedeutung.

 

Konflikt und Harmonie liegen in meiner Wahrnehmung derart nah beieinander, dass eine zeitliche Trennung oft nur schwer möglich scheint.  Eben noch ein Herz und eine Seele reicht eine Bemerkung einer und der Konflikt ist augenblicklich ausgebrochen. Wird der Konflikt, in welcher Heftigkeit auch immer, ausgetragen, reicht manchmal ein Blick, eine Geste und bei beiden Konfliktparteien hellen sich in derselben Sekunde die Gesichtszüge, ja sogar in synchrones Gelächter wird zuweilen ausgebrochen, der Konflikt ist in Harmonie umgeschlagen. 

So kam ich auf die Idee, die beiden „Verbündeten und zugleich Kontrahenten“ gegenüber zu stellen und sich stumm in die Augen blicken zu lassen. Das sich Gegenüber stehen kann als Opposition gewertet werden, dass sich in die vertrauten Augen blicken als jene innige Verbundenheit, die als Harmonie gelten mag.

Dieser Blick in die Augen der jeweilig Anderen schien mir so intensiv und beispielhaft, dass ich das Abbild der beiden auf genau diesen Blick reduzieren wollte.

Mein Dank gilt allen Müttern und Töchtern die sich für diese Arbeit zur Verfügung gestellt haben: Exfrau Sieglinde und Tochter Petra, Ehefrau Gaby und Stieftochter Manuela, meine Mutter und meine beiden Schwestern: Gerti mit Tochter Andrea und Eva mit Tochter Karin und dann aus meinem Freundeskreis, die Mütter jeweils erstgenannt: Marita und Martina, Ruth und Sarah, Gabi und

Irene, Helga und Betty, Aysin und Bedia, Brigitte und Martina, Gabi und Sabine.

 

Irene Lichtenberg

Mutter und Tochter

Gerade eben noch soo wütend

Vor wenigen Minuten noch so genervt...

Du hast mir wieder einmal meine Grenzen gezeigt.

Jetzt liegst du schlafend im Bett, einem Engel gleich,

flößt mir unendlich viel Liebe ein,

lässt mich spüren, wie sehr du mein Leben erhellst.

Erschreckend, wie schnell du mich in Rage bringst.

Wie du gekonnt meine Gelassenheit durchdringst,

meine erzieherischen Maßnahmen geschickt unterläufst,

denn du funktionierst nun mal nicht nach Plan.

Dich zu lenken ist unglaublich schwer.

Dich zu dirigieren unmöglich.

Wie oft stöhne ich angesichts meiner Ohnmacht,

wie oft schreist du laut ob deiner Ohnmacht.

Wir ringen miteinander um Macht und um Liebe,

reiben uns, streicheln uns, hassen uns.

Und manches Mal überrascht uns die Leichtigkeit,

wir sehen uns an und verstehen uns.

Wir sind ein Team und bis in den Tod füreinander da:

Mutter und Tochter – für immer verbunden –

Unsichtbar aber spürbar und vor allem untrennbar.

Ich möchte dich beschützen vor allen Unbillen,

dich am liebsten noch einmal ganz in mich aufnehmen,

dich umhüllen mit meinem Leib und meiner Liebe.

 

Und doch ist meine wichtigste Aufgabe dich loszulassen,

dir Flügel zu verleihen

und irgendwann werde ich dich fortfliegen sehen

mit schwerem Herzen und leeren Händen.

Also versuch ich die Momente der Nähe zu genießen,

halte dich zärtlich und küss dich beim Kuscheln.

Doch wenig später höre ich mich schimpfen und fühle den Zorn.

Ab und zu halte ich inne,

wenn du mir die Welt, Gott und den Tod erklärst.

Dann frage ich mich, wer von wem lernt.

Wenn ich dich ansehe,

könnte ich vor Stolz platzen,

vor Zorn beben,

vor Liebe vergehen.

Wien, Juni 2011

 

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